Seine heutige Fassung erhielt der Kirchenraum bei der Renovierung im Jahr 1961. Das Anliegen bei der seinerzeitigen Neugestaltung war es, einen ruhigen und schlichten Raumeindruck zu erzielen, wie aus zeitgenössischen Dokumenten hervorgeht. Dabei standen ideenmäßig Begriffe wie "Echtheit" und "Wahrheit" im Hintergrund, was in Bezug auf die Raumfassung in erster Linie Materialtreue bedeutete: Die Ausmalung des Raumes sollte das verwendete Baumaterial von Wänden, Decken und architektonischen Werkstücken wiedergeben, sofern nicht deren natürliche Oberfläche selbst sichtbar gemacht werden konnte.
So wurden damals alle verputzten Flächen in Weiß, die architektonischen Werkstücke aus Sandstein dagegen in dessen grau-grünem Ton gefasst, einige Stellen blieben ungetüncht. Ganz konsequent verfuhr man allerdings hier nicht, da beispielsweise alle Bögen im Kirchenschiff und die architektonischen Werkstücke des Altarraumes in Weiß gehalten sind, obwohl zumindest ein Teil derselben aus Schilfsandstein besteht. Als farblicher Akzent trat zu den genannten Farbtönen noch ein Blau für die Gewölbeflächen des Altarraumes und der Emporenaufgänge, sowie für Wandflächen und Gewölberippen der Nebenraumvorhallen. Alle Holzteile der Kirche wurden abgelaugt und in ihrem Naturton belassen.
Kirchenraumfassungen um 1900
Problematisch an der Neugestaltung von 1961 ist allerdings, dass sie die Funktionen unberücksichtigt lässt, die einer Kirchenraumfassung des ausgehenden 19. Jahrhunderts zukamen. Die Ausmalung sollte zum einen die architektonischen Strukturen des Raumes betonen und an vielen Stellen auch ergänzen, zum anderen in nicht unwesentlicher Weise auch zu dessen Dekoration beitragen. So waren die jeweiligen Raumfassungen für die damaligen Kircheninnenräume geradezu konstitutiv und wurden darum auch von den jeweiligen Architekten geplant und oftmals bis ins kleinste Detail vorgeschrieben. Im Gegensatz zu den Grundsätzen der Renovierung von 1961 galt es Ende des 19. Jahrhunderts, den Kirchenräumen unter dem Ideal der Schönheit vor allen Dingen die ihnen angemessene Würde, aber auch eine gewisse behagliche Wirkung zu verleihen.
Darum waren solche Kirchenräume vorwiegend in warmen und gedeckten Farbtönen getüncht. Die Holzoberflächen wurden stets lasiert, meist in bestimmten Brauntönen, zuweilen auch unter farblicher Hervorhebung oder Vergoldung einzelner Partien. In manchen Fällen erhielten auch die architektonischen Werkstücke eine Tönung. Dabei wurde ihr natürlicher Fugenschnitt durch Linierung hervorgehoben. Bei den Werkstücken ist zudem manchmal eine farbliche Betonung bestimmter Teile, wie beispielsweise von Säulenkapitellen oder Bogenprofilen, zu beobachten. Die Wandflächen waren mit Quadermalerei überzogen. Dadurch war man auch in der Lage, wo nötig, einen Ausgleich herzustellen zwischen Natursteinmauerwerk bzw. -werkstücken und solchen Flächen, die, meist aus Kostengründen, nur in verputztem Backstein ausgeführt werden konnten.
Als dekorative Komponente begegnen in solchermaßen gestalteten Kirchenräumen stets Elemente wie umlaufende Bordüren und Friese, sowie Wandsockel, die auf mehr oder weniger illusionistische Weise den Eindruck eines Wandteppichs bzw. einer Wandvertäfelung erweckten. Dazu tritt bisweilen auch eine Bemalung bestimmter Stücke und Flächen mit ornamentalen, floralen und symbolischen Motiven. In reicher ausgemalten Räumen sind auch Wandgemälde keine Seltenheit.
Die Wändflächen waren durch die Farbfassung meist in mehrere horizontale Zonen unterteilt, die von unten nach oben sukzessive heller wurden und dem Raum damit eine gewisse Dynamik verliehen. Ein häufig anzutreffendes Schema ist beispielsweise eine Wandtönung mit einer relativ dunklen Sockelzone, die etwa in Höhe der Fensterbänke von einem helleren Wandabschnitt abgelöst wurde, um dann auf Höhe der Kämpferlinie der Fenster in eine noch hellere Färbung überzugehen. Die einzelnen Wandabschnitte werden dabei jeweils durch Linierung oder Bordüren voneinander abgegrenzt. Ein Fries schloss die Wand gegen die Decke nach oben hin ab.
Solche durchgestalteten Komplettfassungen von Kirchenräumen trugen zu einem beabsichtigt einheitlichen Raumeindruck bei. Auch war man durch die Ausmalung imstande, bestimmte Raumteile, wie beispielsweise der Altarraum, besonders hervorzuheben.
Ursprüngliche Ausmalung
Die bauzeitliche Ausmalung wurde durch den Architekten Gustav Haeberle geplant, wovon auch ein Schreiben aus dem Jahr 1896 Zeugnis gibt, demzufolge der mit den Arbeiten befasste Maler Jakob Brug nicht mehr weitermalen solle, bis die entsprechenden Skizzen von Haeberle eingetroffen seien. Wegen des Zeitdrucks vor der Kircheneinweihung blieben einige Elemente der Ausmalung unvollendet. Haeberle spricht 1897 sogar davon, dass die Arbeiten "halb fertig liegen gelassen" wurden. In der folgenden Zeit wurde die Raumfassung trotz diesbezüglicher Planungen nicht mehr fertiggestellt. Die Gestalt der Farbfassung von 1896 kann nach zeitgenössischen Photographien und Beschreibungen sowie anhand von freigelegten Ausmalungsresten unter der jetzigen Fassung in Etwa rekonstruiert werden. Durch den Vergleich mit zeitgenössischen Kirchenausmalungen und mit dem Reutlinger Vorbild wird an den meisten Stellen auch klar, welche Elemente vor der Einweihung nicht mehr fertiggestellt werden konnten.
Zunächst waren alle Holzteile in einem Braunton lasiert. Farbliche Hervorhebung einzelner Partien, wie dies bei anderen Kirchen der Zeit dann und wann zu beobachten ist (vgl. Marienkapelle in Scheßlitz von Haeberle), beschränkte sich hier auf dezente Vergoldungen an den Holzdecken, so z.B. an den verzierten Knäufen.
Alle architektonischen Werkstücke, wie Säulen, Bögen, Gesimse und Konsolen erhielten einen Farbüberzug in einem zarten Grauton (sog. Steingrau), wobei die Fugen jeweils weiß liniert wurden. Ob die Werkstücke und insbesondere die Bögen im Schiff wie in der Katharinenkirche zu Reutlingen eigentlich noch zusätzlich farblich behandelt werden sollten (z.B. florale Ornamente auf den einzelnen Bögen analog zu den Einfassungen der Altarraumarkaden), ist zwar denkbar, jedoch nicht sehr wahrscheinlich. Denn Gustav Haeberle orientierte sich offensichtlich nur beim Altarraum stärker an der Ausmalung der Reutlinger Kirche.
Neben dem genannten Steingrau kam für die Quadermalerei der Wandflächen hauptsächlich ein ockerner Steinfarbton zum Einsatz, sowie weitere Farbtöne für die Wandsockel, Bordüren und Friese. Die Wände des Kirchenschiffs waren durch ihre Bemalung in mehrere Wandzonen unterteilt. Dabei war der jeweils unterste Abschnitt in Ölfarbe, die oberen dagegen in Leimfarbe ausgeführt.
Unterhalb der Emporen trugen die Wände eine Bemalung in zwei Zonen. Die untere Zone bildete ein einfarbiger Sockel in Dunkelbraun. Eine breite Bordüre mit einem Blatt- und Blütenornament trennte den Sockel vom oberen Wandbereich, der mit Quadermalerei versehen war. Den Übergang zur Decke markierte ein schmaler Fries. Alle Fenster- und Türeinfassungen waren durch steingraue Quader markiert. Die Fensterlaibungen waren überraschenderweise nicht etwa auch quadriert, sondern einfarbig gestrichen und mit einem helleren Kantenstreifen versehen. Dies spricht sehr dafür, dass die Laibungen analog zu Reutlingen (und vielen anderen Kirchen der Zeit) Laibungsmuster erhalten sollten. Gleiches gilt auch für die oberen Fenster des Kirchenschiffs.
Oberhalb der Empore wurden die Fenster- und Türöffnungen von abwechselnd hell- und dunkelgrauer Quadrierung eingefasst. Die Wände waren in drei horizontale Gestaltungszonen eingeteilt. Zunächst fand sich ganz unten wieder ein hoher Wandsockel, diesmal mit einem großformatigen teppichartigen Muster auf ockernem Grund, abgeschlossen von einer Bordüre mit einem Rankenornament. Der darüber liegende Bereich wies keine Quadrierung auf, sondern eine horizontale Linierung mit doppeltem Fugenstrich auf Ockergrund. Dieser Wandbereich sollte wohl ursprünglich analog zur Einfassung der Fenster abwechselnd zweifarbig ausgeführt werden. Ungefähr auf Höhe der Kämpferlinie der Fenster war eine Quaderlage bereits in dunklerem Farbton gefasst, die den Übergang zum obersten Wandabschnitt markierte. Hier darf wohl in der ursprünglichen Planung eine weitere Bordüre vermutet werden. Die oberste Wandzone war wiederum mit weißem Fugenstrich quadriert. Direkt unterhalb der Decke schloss ein breiter Kreuzbogenfries die Wandfassung nach oben hin ab.
Vom Chorbogen, der den Eingang zum Altarraum bildet, ist aus den Quellen bekannt, dass er bildlichen Schmuck erhalten sollte. Angedacht waren hier eine Darstellung der Apostel. Da diese Bemalung erst später erfolgen sollte, wurde der Bogen zur Kircheneinweihung vorerst nur in Steingrau quadriert. Der Altarraum selbst erhielt seiner Bedeutung gemäß eine besonders reiche Wandgestaltung. Wie bereits angedeutet, orientierte sich Gustav Haeberle hier stark an der Altarraumgestaltung der Reutlinger Katharinenkirche.
Der untere Bereich bis zum Gurtgesims trug eine Bemalung in zwei Zonen. Beide Zonen, die untere von dunklem, die obere von hellerem Farbton, waren mit doppeltem Fugenstrich quadriert. Die Bemalung dieses unteren Altarraumbereichs krönte ein unter dem Gesims umlaufender Fries mit Zitaten aus Bibel und Liturgie. Sie lauteten (von links nach rechts): "Kyrie eleison." | "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Joh. 14,6." | "Durch ihn haben wir die Erlösung durch sein Blut. Eph. 1,7." | "Wer an den Sohn glaubet, der hat das ewige Leben. Joh. 3,36." | "Christe eleison."
Die drei Wandarkaden waren durch besondere Ausmalung noch zusätzlich hervorgehoben. Anstelle einer Quadrierung der Bogeneinfassungen lief um die Arkaden ein außergewöhnlicher Fries, bestehend aus stilisierten Pflanzenmotiven in kleinen Maßwerkbögen. Die Wände innerhalb der Arkaden waren wie außerhalb in zwei Zonen bemalt, von denen die untere ein filigranes Teppichmuster trug, die obere dagegen lediglich einfarbig war. Es spricht viel dafür, dass für diese einfarbige Fläche eine Bemalung mit einem Rankenmotiv wie in der Reutlinger Kirche vorgesehen war. Wie auch außerhalb der Arkaden trennte ein Zierstreifen, der wohl ursprünglich auch ein bestimmtes Ornament erhalten sollte, die beiden Wandabschnitte voneinander. Ein ähnlicher Zierstreifen lief am inneren Rand der Arkadenwände entlang. Die Laibungen der Arkaden waren durch verschiedenfarbige Schattierungen plastisch hervorgehoben.
In den beiden Seitenarkaden war analog zum Fenster der Mittelarkade jeweils ein hell gefärbte Fläche in Dreipassform freigehalten, die von einer schmalen Bordüre eingefasst wurde. Wie beim Chorbogen waren auch hier bildliche Darstellungen in Malerei vorgesehen gewesen. Über die geplanten Motive ist jedoch nichts bekannt.
Der obere Teil des Altarraumes war bis auf die quadrierten Fenstereinfassungen nicht weiter ausgemalt. Die Reutlinger Katharinenkirche bietet an dieser Stelle eine reiche Gestaltung der Fenstereinfassungen, die derjenigen der Altarraumarkaden entspricht, und eine weitere Bordüre auf Höhe der Kämpferlinie der Fenster. Dass dieser obere Wandbereich nicht reicher ausgestaltet war, lag jedoch vermutlich nicht daran, dass hier Arbeiten liegen geblieben waren. Vielmehr ist zu beobachten, dass Gustav Haeberle auch bei anderen Kirchenbauten diesen oberen Bereich stets einfach hielt (vgl. die Haeberle-Kirchen in Schwürbitz und Lichtenfels). Vielleicht hatte dies seinen Grund darin, dass die Glasmalereien der Chorfenster an dieser Stelle ausreichend zur Geltung kommen sollten bzw. bereits für genügend Schmuck sorgten. - Als weiteres Indiz hierfür darf genannt werden, dass zum einen die Wandflächen selbst nicht einmal die sonst in der Kirche stets angewandte Quadrierung aufwiesen und zum anderen die quadrierten Fenstereinfassungen sich hier auch in die Fensterlaibungen hineinzogen, also offensichtlich auch keine Laibungs-Muster vorgesehen waren.
Das Chorgewölbe war in einem einfarbigen hellen Farbton gehalten, die Gewölberippen und Wandsäulen in Steingrau mit weißen Fugenstrichen. Ob hier ursprünglich florale Malereien für die Gewölbefelder oder auch reichere Ausgestaltung der Rippen und Säulen geplant war, kann nicht entschieden werden. Beides ist denkbar, da dies zwar nicht in Reutlingen (schmuckloses Natursteingewölbe), jedoch in vielen anderen Kirchen dieser Epoche häufig der Fall war, darunter auch beim fast baugleichen Chorgewölbe der Kirche zu Schwürbitz.