Martin Luther als Liederdichter und Freund der Kirchenmusik

„Ich möchte, dass wir möglichst viele Lieder hätten, die das Volk während der Messe singen könnte. Aber es fehlen uns die Dichter oder sind noch nicht bekannt, die uns fromme und geistliche Lieder (wie Paulus sie nennt) sängen, die dann geeignet wären, in der Versammlung Gottes immer wieder gebraucht zu werden.“ (Martin Luther).

Als Martin Luther 1523 diesen Aufruf an deutsche Dichter verfasste, dachte er offensichtlich noch nicht daran, selbst mit gutem Beispiel voranzugehen und eigene Glaubenslieder zu verfassen. Doch als er sich auch auf diesem Feld versuchte, fanden seine Lieder überraschenden Anklang und schnelle Verbreitung. Hintergrund war seine im Jahr 1523 in Angriff genommene Reform des Gottesdienstes, in der er die Gemeinde als Mitgestalterin sah. Luther erkannte im Kirchenlied das geeignete Mittel zur gottesdienstlichen Ausübung des allgemeinen Priestertums aller Gläubigen.

Das Echo auf seinen Aufruf war nicht so stark, wie er es sich erhofft hatte, und somit begann er noch im gleichen Jahr, sein persönliches Glaubenslied „Nun freut euch, lieben Christen g‘mein“ zu komponieren. In diesem Lied zeigt sich Luther als Dichter, der persönliches Erleben in die Sprache einfließen lässt: „Dem Teufel ich gefangen lag“, „mein guten Werk, die galten nicht“ stehen im Zusammenhang mit der Zeit, als Luther sich im Kloster vergeblich um Gottes Gerechtigkeit bemüht hatte.
Eine Besonderheit im Schaffen Luthers sind auch seine Katechismuslieder wie „Dies sind die heilgen zehn Gebot“, „wir glauben all an einen Gott“ oder „Vater unser im Himmelreich“. Wie fast alle seine Lieder, die sich auf Vorlagen beziehen, ist auch hier eine strenge und verbindliche Anlehnung an das Original oberstes Gebot.

Im Stammteil unseres Gesangbuches sind insgesamt 32 Lieder von Martin Luther enthalten.
In fast allen Themenbereichen findet sich eines seiner Lieder. Nur für die Passionszeit hat Luther kein eigenes Lied verfasst, was wohl daher rührt, dass er die Passion Christi immer von Ostern her gesehen hat. Das hat zur Folge, dass man in seinen Osterliedern immer wieder auf Rückblicke auf das Leiden und Sterben Christi trifft. Überhaupt ist Luthers Verhältnis zum Osterlied besonders innig gewesen. Über den mittelalterlichen Osterleise „Christ ist erstanden“ sagte er: „Aller Lieder singt man sich mit der Zeit müde, aber das ´Christ ist erstanden` muss man alle Jahre wieder singen“.

Was Luther in seinem Aufruf an andere Liederdichter erhoffte, ist ihm selber in einer einzigartigen Weise gelungen wie keinem anderem. Er hat in seinen Liedern „dem Volk aufs Maul geschaut“.
Was ein Jesuitenpater über sein Liederschaffen sagte, nämlich, dass sie mehr Seelen dem katholischen Glauben abspenstig gemacht hätten als alle seine Predigten und Schriften, trifft sicher zu. In kürzester Zeit verbreiteten sich seine Lieder in ganz Deutschland. Meistens wurden sie mündlich übertragen, aber auch auf Flugblättern gingen sie umher, bis 1524 der Druck der ersten evangelischen Gesangbücher begann.
Durch die Jahrhunderte hindurch bis zur Gegenwart gehören seine Dichtungen zum festen Bestandteil unseres evangelischen Liederschatzes.

Luthers Wertschätzung der Musik öffnete die Türen für die Kirchenmusik, im Gottesdienst eine herausragende Rolle zu spielen. Der erste lutherische Kantor und Luthers musikalischer Berater und Freund war Johann Walter (1496-1570). Dieser verfasste im Jahre 1524 ein in Stimmheften unterteiltes „Geistliches Gesangbüchlein“: Er ließ 32 Choräle evangelischer Art in drei- bis fünfstimmigen Chorsätzen drucken, darunter waren auch 24 Lutherlieder.
Der Wittenberger Reformator schrieb in seiner Vorrede: „Ich bin nicht der Meinung, dass durch das Evangelium alle Künste zu Boden geschlagen werden und vergehen sollen, wie etliche Übergeistliche vorgeben, sondern ich möchte alle Künste, besonders aber die Musica, gern sehen im Dienste dessen, der sie gegeben und geschaffen hat.“

Am 1. Oktober 1525 erlebte die Wittenberger Gemeinde zum ersten Mal einen evangelischen Gottesdienst mit reicher musikalischer Gestaltung durch Gemeinde, Chor und Pfarrer. Zu Beginn des Jahres 1526 erschien Luthers Deutsche Messe mit Noten im Druck. Johann Walter erinnerte sich gern an jene Zeit: „Ich weiß und bezeuge wahrhaftig, dass der heilige Mann Gottes Luther, …  zu der Musica im Choral- und Figuralgesang große Lust hatte. Mit ihm habe ich gar manche liebe Stunde gesungen und gesehen, wie der teure Mann vom Singen so lustig und fröhlich im Geist ward, dass er des Singens schier nicht konnte müde und satt werden und von der Musica so herrlich zu reden wusste.“

Stephanie Spörl, Dekanatskantorin im Dekanat Forchheim